Die Basis, auf die alles weitere aufbaut, sind nach meinem Empfinden Respekt und Vertrauen. Das gilt durchweg für beide Parteien: Wenn ich eine Partnerschaft mit meinem Pferd anstrebe, muss ich bereit sein, den Respekt, den ich einfordere, zurückzugeben. Dazu gehört es, das Pferd als das individuelle Lebewesen anzusehen, das es ist, mich auf es einzulassen und auch seine Grenzen und „schlechten Tage“ zu respektieren. Durch den gegenseitigen Respekt und die Erfahrungen, die man gemeinsam macht, wird schließlich echtes, stabiles Vertrauen aufgebaut. Die vertrauensvolle Beziehung zum Partner Pferd wird dabei häufig falsch interpretiert, was auf eine Vermenschlichung des Pferdes zurückzuführen ist: Wir möchten unser Pferd zu unserem Freund machen, doch für unser Pferd haben Leittiereigenschaften eine höhere Priorität als kameradschaftliche Elemente. Wenn wir uns das blinde Vertrauen unseres Pferdes verdienen möchten, müssen wir „pferdisch“ denken und unserem Pferd angepasst an sein „System der Welt“ begegnen.
Genauso wie ich weiß, dass ich kein Pferd bin, weiß auch das Pferd, dass ich nicht zu Seinesgleichen gehöre. Trotzdem wird es für das Pferd beträchtlich leichter, meine Signale zu verstehen, ihnen zu folgen und in sie zu vertrauen, wenn ich sie so anbringe, dass das Pferd sie möglichst instinktiv und intuitiv verstehen kann. Deshalb arbeite ich wann immer möglich mit Hilfen, die dem Pferd aus seiner Sicht schnell logisch erscheinen oder die es sogar aus der Kommunikation im Herdenverband kennt. Daraus folgen eine große Bedeutung der Körpersprache, des Verständnisses für die Anatomie und Psyche des Pferdes und des authentischen Auftretens.
Jedes Pferd ist ein Individuum, weshalb es selten funktioniert, im Training nach Schema F vorzugehen. Deshalb ist es meine Aufgabe, die Probleme, Stärken, Bedürfnisse und Charaktereigenschaften eines jeden Pferdes zu erkennen und das Training im Sinne des Pferdes daran anzupassen.
Nein, damit ist selbstverständlich nicht das Bewegungstempo gemeint. Mir geht es an dieser Stelle um das Lerntempo und ich möchte einmal ganz deutliche Worte finden: Wer einen Crash-Beritt oder eine Hauruck-Lösung für ein problematisches Verhaltensmuster, das sich jahrelang vertiefen konnte, sucht, ist bei mir an der falschen Adresse. Denn für mich ist eines ganz klar: In einer pferdgerechten Ausbildung muss das individuelle Lern- und Entwicklungstempo des Pferdes berücksichtigt und respektiert werden. Das bedeutet, dass ich mich ganz bewusst von etwaigen persönlichen Erwartungshaltungen distanziere und dem Pferd genau die Zeit gebe, die es braucht - ohne Hektik, falschen Ehrgeiz und Ungeduld.
Die Ziele, die Pferd und Mensch gemeinsam verfolgen, sind wunderbar vielfältig. Den individuellen Zielsetzungen übergeordnet steht für mich stets das große Ziel einer Zusammenarbeit in Feinheit und Leichtigkeit. Wenn beidseitige Aufmerksamkeit und ein stabiles "Beziehungsfundament" auf eine feine Kommunikation und gegenseitiges Verständnis treffen, kann eine Leichtigkeit entstehen, die Pferd und Mensch gleichermaßen bereichert.
Natürlich gibt es Extremsituationen, in denen ein Pferd „muss“. Das gilt vor allem dann, wenn es sich selbst oder den Menschen gefährdet. Abgesehen von diesen Sonderfällen begegne ich Pferden stets mit einem wohlwollenden „Du schaffst das“, anstelle eines verbissenen „Du musst das“. Der Unterschied ist riesig: Denke ich „Du musst das“ (…egal ob du willst oder nicht, egal wie viel Druck ich dafür aufbauen muss, egal was es mich und dich kostet), erschaffe ich eine unheimlich negative Spannung und neige vielleicht sogar dazu, aus Frust unfair meinem Pferd gegenüber zu werden. Mit einem „Du schaffst das“ Mindset drücke ich dagegen aus, dass ich an die Fähigkeiten des Pferdes glaube und ihm die Aufgabe, vor der es steht, zutraue. Ich sporne es quasi an und Pferde, diese Meister des feinen Gespürs, bemerken und schätzen das.
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